Das Wahrzeichen, das die Arche übernahm, tauchte schon 1947 auf der Titelseite des "Chansonnier populaire“ (Volksliederbuch) von Lanza del Vasto auf; es ist die Arche Noahs, mit einer Weinrebe als Segel. Was man dort sieht, ist eine richtige Arche, wie man sie sich nach der Beschreibung in der Bibel vorstellen kann, und dazu die Weinrebe, die sich hoch darüber rankt.
Zunächst die Arche. Was sie ganz konkret bedeutet, versteht man gut: Eine Gruppe von Männern und Frauen, die sich zusammen auf das große Wagnis einlassen: Sie steigen in ein Schiff und fahren ins Unbekannte hinaus. Doch sie haben das gleiche Ziel, sind Glieder derselben Besatzung. Das heißt, sie sind total aufeinander angewiesen und tragen die Verantwortung füreinander. Das Schiff hat dieselbe Bedeutung wie eine Bergsteigergruppe, man hat sich zusammen auf etwas eingelassen, man ist unterwegs, man ist im selben Boot, auf derselben menschlichen und geistigen Reise begriffen.
Die Arche kann auch symbolisch gedeutet werden. Dann bedeutet sie die Askese. Ein Schiff, mit seiner ganzen Mannschaft, ist ein beschränkter Raum. Wenn es auch ins Grenzenlose hinausfährt, es ist doch in der konkreten Gegenwart begrenzt. Die Mannschaft muss aufeinander Rücksicht nehmen, einander anhören, einander akzeptieren, sich dem Steuermann unterordnen. All diese Askese ist unerlässlich, damit das Schiff sein Ziel erreichen kann, ohne dass dabei jemand über Bord geht. Dazu bedarf es einer Portion Verzicht, jedoch niemals bis zur Selbstverstümmelung. Jede Askese ist immer, immer, immer ein Werkzeug der Befreiung. Ob du fastest, wachst oder auf irgendetwas verzichtest, es ist nie, um dich zu verstümmeln, sondern um mehr Freiheit zu gewinnen. Du fastest zum Beispiel für die, welche Hunger leiden, und dabei entsteht eine Verbindung, ein Verstehen, das deine Grenzen beträchtlich erweitert, durch die Liebe. Askese ist ein Mittel zur Befreiung durch die Liebe.
Und nun die Weinrebe. In allen religiösen Traditionen war der Wein stets das Symbol für die spirituelle Erfahrung. Um den Wind aufzufangen, den tatsächlichen, der das Schiff in Fahrt bringt, und den Anhauch im übertragenen Sinn, den Lebensatem des Geistes, dazu hat die Arche also die Weinrebe, die den göttlichen Atem mit ihrem Laub empfängt. Die Arche hat kein anderes Segel als diese Weinrebe, dieses Symbol der Inspiration, in das der Atem des Geistes bläst.
(Therese Parodi, Interview A. Grasreiner, 1983)